Häufig ist ein Blick über den Tellerrand dienlich. So auch in den letzten Wochen in Richtung Pflege. Was passierte da  als vorläufiger Höhepunkt in einem schon lange existierenden, jedoch  mit der Pandemie in das öffentliche Bewusstsein gerückten gesundheitspoltischem Brennpunkt?  Der Bundesgesetzgeber hat seine Pläne zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegenden aus der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) in das jüngst verabschiedete Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz übernommen. Das war so kurz vor Ende der Legislaturperiode von vielen nicht mehr erwartet worden.
Ein Gesetzespassus ist hier für das zukünftige Verhältnis der Gesundheitsfchberufe zueinander und der Ausbildung eigenständiger Berufsprofile mit selbstzuverantwortender Aufgabenbereichen jenseits der Arztassistenz wegweisend. Wie dabei die Koalition diesen Punkt im Gesetzesantrag begründet hatte, ist durchaus auch Kritik an der Ärzteschaft: „Da die auf freiwilligkeit fußende Regelung zur Heilkundeübertragung an Pflegekräfte nach Paragraph 63 Absatz 3c Sozialgesetzgebung V „kaum“ gefruchtet habe, bedürfe es nun einer verpflichtenden gesetzlichen Regelung.“ Und wie reagierten die Ärzte, zutreffender ihre zwei großen Spitzenverbände BÄK und KBV. Sie lenkten ein, einmal wohlbedenkend, dass der kommenden Bundesregierung wohl die Grünen angehören werden. Diese lehnen schon seit Jahren den uneingeschränkten Arztvorbehalt ab und wollen spezifische heilkunfliche Tätigkeiten in die Zuständigkeit weiterer Gesundheitsfachberufe legen. Des Weiteren wohl auch aus der ernüchternden Erkenntnis heraus, dass der jahrzehntelange Rückhalt und das Verständnis für ihren Alleinvertretungsanspruch in Sachen Heilkundeausübung auch in den anderen Parteien schwindet.Über eine umfängliche Delegationslösung versucht sie jetzt noch so viel an ständischem Einfluss und ärztlicher Macht zu retten wie möglich. Hier ist die Parallele zum Rettungsdienst.
Würde man namlich Historikern die momenane Struktur der Beziehungen und Abhängigkeiten der an der Notfallrettung beteiligten Akteure zur geschichtlichen Begutachtung vorlegen, wäre ihre Antwort wohl umgehend und eindeutig: Zwar sind die dort anzutreffenden Gegebenheiten  in ihrer historischen Dimension nur von partieller Bedeutung und eine geschichtliche Randnotiz.  In ihrer Struktur jedoch geradezu klassich für Geschichtsphasen mit der faktischen Potenz zum Umbruch. Die alten Eliten herrschen nur noch uneingeschränkt, weil sich die Masse der beteiligten anderen Akteure  -unter ihnen auch neu auftretende gesellschaftliche Gruppen -  ihrer Bedeutung und Macht  nicht wirklich bewusst sind.  Und somit  von ihrer Stärke zur Verwirklichung  ihrer legitimer Interessen keinen Gebrauch machen.  In der Notfallrettung sind diese Abhängigkeiten sogar ganz krass. Ohne die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter geht dort (zukünftig) gar nichts mehr. Und auch die typischen Begleiterscheinungen solcher geschichtlichen Umbruchphasen  treten gerade auf.  Es sind die ungezählten Scharmützel, die Diffamierungen und Repressalien, mit der  sich heute mancherorts  Rettungsdienstler*innen konfrontiert sehen, die sich auf den Weg ihrer beruflichen Emanzipation gemacht haben. Einige werden dabei (ungewollt) zu Alltagshelden wie der Landshuter Notfallsanitäter Andreas Drobeck. Von seinen Vorgesetzten gedemütigt, in seinem Umfeld mit Häme bedacht, wagt er dennoch den Rechtsweg. Dabei war es ihm weniger um die eigene Person gegangen. „Meine Intention war es vor allem, das System zu verbessern und den Beruf zu professionalisieren.“ Und der  bayerische Verwaltungsgerichtshof, die höchste gerichtliche Instanz im Lande gibt ihm zu guter Letzt stellvertretend für seinen ganzen Berufsstand in einer epochalen Entscheidung unmissverständlich recht:“ Notfallsanitäterinnen und –sanitäter sind, sofern (not-)ärztliche Hilfe nicht zeitnah zu erlangen ist und die Voraussetzungen des § 2a Nr. 2 NotSanG vorliegen, eigenverantwortlich handelnder, heilkundlicher Teil der Rettungskette.“ Und Historiker könnten ergänzen: Und nie war die Zeit für die Durchsetzung dieser neuen Rolle so günstig. „Weg aus der ewigen Defensive in die Offensive!“ 
Notärzt*innen, die Notfallsanitäter*innen dieses eigenverantwortliche Handeln (schon lange) zutrauen und darin auch einen persönlichen Gewinn für sich und die Notfallrettung sehen - und von diesen gibt es draußen viele - kann man nur zurufen, sich der Emanzipationsbewegung der Notfallsanitäter*innen anzuschließen. Die ärztlichen Funktionsträger werden soweit nicht gehen. Jedenfalls hört man nur von ganz wenigen, welche  die eigenverantwortliche und in den meisten Fällen dann auch alleinige Versorgung von Notfall- und Akutpatienten durch Notfallsanitäter*innen befürworten, welche Notärztinnen und Notärzte  für die wirklich schwierigen Not- und Akutfälle jenseits von Standardversorgungssituationen vorhalten wollen. 
Neben den alten Damen und Herren ÄLRD – wobei alt weniger im kalendarischen Sinne gemeint ist- hat sich nun eine neue Gruppe  ÄLRD herausgebildet. Spätestens seit der Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages im Dezember letzten Jahres meldet sich diese immer stärker öffentlich zu Wort. Für sie gehört zur Zukunft der Notfallrettung eine umfängliche Delegationslösung, womöglich auch der Telenotarzt. Für sie  kommt den  ÄLRD und den alltäglich mit den Notfallsanitäter*innen zusammenarbeitenden Nötärzt*innen die Schlüsselstellung beim Kompetenzerwerb,-erhalt und -kontrolle des Rettungsdienstfachpersonals zu. Für die anstehende  Übergangsphase wirbt man bei den Notärzt*innen um ein geändertes Rollenverständnis  von der Einsatzführerin und dem Einsatzführer zur Mentorin und zum Mentor des Rettungsfachpersonals. Standesdiskussionen sind angesichts der aktuellen politischen und gesetzlichen Entwicklungen kontraproduktiv und pfleglichst zu vermeiden. Stattdessen ist der Diskurs mit den anderen Gesundheitsfachberufen erfolgversprechender. Und „last not least“ sind die Juristen bei ihren kommenden Entscheidungen ärztlicherseits fachlich zu begleiten und  nicht allein zu lassen.
Die Notfallsanitäter*innen, welche sich in diesem reformierten, jedoch weiterhin latent paternalistisch / maternalistisch ausgerichtetem Rettungsdienstwelt gut aufgehoben fühlen, dürfen mit einiger Zuversicht hoffen, dass diese Fraktion ÄLRD innerhalb ihres Standes die Oberhand gewinnt. Die nicht immerwährende Gunst der Stunde nutzend, sollten jedoch auch sie sich für  ihre Mitbestimmung  stark machen.  Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern sollte klar sein, dass  auch in einem  modernisierten, an die politischen Erwartungen angepassten und der begrenzten notärztlichen Ressource Rechnung  tragenden Rettungsdienst professionelle Identitfikation und Zufriedenheit dauerhaft nur über Mitbestimmung Erfolg haben kann.