Es gibt hier , wie so typisch für ethische Grenzsituationen mehrere Varianten guten Handelns. Für welche sich die betroffenen Intensivmediziner womöglich auch auf dem Hintergrund  der hausinternen Ethikkommission (falls vorhanden) entscheiden, hängt letztendlich von ihrer persönlichen Werteskala ab. Eine 1 zu 1 Übernahme der gemeinsamen Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften zur Ressourcenzuteilung in Notfall- u. Intensivmedizin bei der COVID-19-Pandemie vom April 2020 kann es jedoch nicht sein. Zu dieser rechtlichen Bewertung ist in der Zwischenzeit auch das Bundesverfassungsgericht gekommen. Das höchste Gericht unseres Landes bestätigt jedoch die Rechtskonformität der Kernempfehlung der medizinischen Fachgesellschaften. Die klinische Erfolgsaussicht, ausschließlich bezogen auf die Wahrscheinlichkeit, die akute Erkrankung zu überleben, ist ein verfassungsrechtlich zulässiges Entscheidungskriterium bei der Behandlungspriorisierung im Triagefall.

Was meine persönliche Haltung zur Triage Lebensbedrohter betrifft ist  diese ganz klar und unverändert (siehe hierzu meine Stellungnahme zu den Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften, welche ich direkt nach deren Veröffentlichung in einem dem Inhalt nach gleichen Schreiben auch gegenüber  dem Mitautor und  damaligen Vorsitzenden der DIVI , dem Intensivmediziner Uwe Janssens kundgetan habe):
Eine nochmalige Behandlungspriorisierung Lebensbedrohter kann ethisch noch gerade vertretbar sein, aus staatsrechtlichen Gründen verbietet sie sich. Eine Aufweichung  der Grundrechtsgarantie von der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, verbunden mit der  (Selbst)verpflichtung unseres  Staates, sie unter allen Umständen  zu achten und zu schützen, rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht kommt in seinem einschlägigen Beschluss vom 16.12.2021 zu einer anderen verfassungsrechtlichen Würdigung: "Dass aufgrund der Achtung vor der Unantastbarkeit der Menschenwürde Leben nicht gegen Leben abgewogen werden darf, steht einer Regelung von Kriterien, nach denen zu entscheiden ist, wie knappe Ressourcen zur Lebensrettung verteilt werden, nicht von vornherein entgegen... Die Aussicht, die akute Erkrankung zu überleben, ist ein als solches zulässiges Auswahlkriterium für die Verteilung knapper Behandlungsressourcen. Dieses Kriterium stellt nicht auf eine Bewertung menschlichen Lebens ab, sondern allein auf die Erfolgsaussichten der nach der aktuellen Erkrankung angezeigten Intensivtherapie."